Landkreis in Geschichte und Zahlen
Der Grundstein für den heutigen Landkreis Neunkirchen wurde gelegt, als im Jahre 1545 die Grafschaft Saarbrücken unter den Söhnen des Grafen Johann Ludwig aufgeteilt wurde. Unter wechseln den Namen wie "Herrschaft Ottweiler" (1544 bis 1611), "Amt Ottweiler" bzw. "Oberamt Ottweiler" (1611 bis 1798) und unter napoleonischer Herrschaft "Kanton Ottweiler" (1798 bis 1800) existierte die Gebietseinheit bis 1814.
Mit Datum vom 30. Juni 1814 entstand im Rahmen einer Neugliederung der Landkreis Ottweiler. Er wurde von einem "Kreisdirektor" geleitet und erstreckte sich über eine Fläche von 1.186 qkm mit 63.517 Einwohnern. Bereits zwei Jahre später, am 1. Juli 1816, wurde die umfangreiche Fläche auf Beschluss des Wiener Kongresses verändert. Es entstand der neue Kreis Ottweiler und es wurde gemäß preußischer Verwaltungsordnung an seine Spitze ein Landrat gestellt. Sitz der Kreisverwaltung war Ottweiler, wo auch der Wohnsitz des Landrates war.
Im Jahre 1866 votierte Karl Ferdinand Stumm für die Verlegung des Kreissitzes nach Neunkirchen. Die Stummsche Offensive verlief aber im Sande.
In der Sitzung am 25.Mai 1889 beschloss der Kreistag, das 1759/1760 nach Stengelschen Plänen erbaute Witwenpalais zu erwerben und als Landratsamt umzubauen. Von nun an hatte das Landratsamt seinen festen Sitz in Ottweiler.
- 1815: Philipp Jakob Siebenpfeiffer (Leiter der Kreisdirektion Ottweiler)
- 1816-1825: Joseph Schönberger
- 1825-1842: Carl von Rohr
- 1842-1851: Richard Linz
- 1851-1860: Otto Freiherr von Wittenhorst-Sonsfeld
- 1860-1871: Eugen von Schlechtendal
- 1871-1876: Ferdinand von Helldorff
- 1876-1883: Hugo Freiherr von Richthofen
- 1883-1885: Maximilian von Voss
- 1885-1892: Woldemar Tenge
- 1892-1895: Dietrich von Harlem
- 1896-1909: Maximilian Freiherr Laur von Münchhofen
- 1909-1916: Carl von Halfern
- 1916-1916: Herbert Besser (vertretungsweise)
- 1916-1919: Waldemar Moritz
- 1919-1920: Dr.iur. Friedrich Vogeler
- 1920-1945: Dr. Maximilian Josef Eugen Rech
- 05/1945-07/45: Franz-Heinrich Strauß
- 1945-1946: Dr. N. Steines
- 07/1946-09/1946: Franz-Heinrich Strauß
- 1946-1947: Dr. N. Buschlinger
- 1948-1951: Peter Scherer
- 1951-1961: Dr. Johannes Dierkes
- 1965-1966: Regierungsrat Hock (staatliche Verwaltung)
- 1961-1985: Dr. Günter Schwehm (CDU)
- 1985-2011: Dr. Rudolf Hinsberger (SPD)
- 01.04.2011 - 31.07.2015: Cornelia Hoffmann-Bethscheider (SPD)
- seit dem 01.01.2016: Sören Meng (SPD)
Für Ende des Jahres 2023 ist die Herausgabe des 3. Kreisbuches des Landkreises Neunkirchen geplant. Neben vielen interessanten Beiträgen des Redaktionsteams sollen auch die Einwohner*innen des Landkreises Neunkirchen aktiv beteiligt werden. Daher ruft der Landkreis Neunkirchen die Bevölkerung auf, Text- und Fotobeiträge einzureichen.
Veröffentlicht werden ein Kurzprosawerk (Kurzgeschichte, Erzählung), drei Gedichte und Fotos. Einsendeschluss wird der 15.04.2023 sein.
Die Kurzprosastücke sollten max. 3 DIN A4 Seiten (Schriftgröße 12, Schriftart Arial, Zeilenabstand 1,5) umfassen und die Gedichte aus maximal 30 Versen bestehen.
Die Einreichenden müssen mit der Veröffentlichung ihres Beitrages einverstanden sein.
Beiträge können ausschließlich per E-Mail an kreisbuch@landkreis-neunkirchen.de eingereicht werden.
Als Preise winken Kreisbücher und Gutscheine der Bücherei „Bücher König“ in Neunkirchen.
Die Architektur des Palais
Das sogenannte Witwenpalais in Ottweiler besitzt innerhalb des Werkes von Friedrich Joachim Stengel eine besondere Stellung. Es ist das einzige fürstliche Stadtpalais und spielt deshalb unter den Profanbauten dieses Baumeisters nach den Residenzschlössern von Saarbrücken und Dornburg, dem Winterbau am Schloss von Biebrich und dem Lustschloss von Neunkirchen eine wichtige Rolle.
Obwohl das Witwenpalais vergleichsweise klein ist, veranschaulicht es seinen Rang durch seine besondere architektonische Gliederung. Doch dazu später mehr. Widmen wir uns zuerst dem geschichtlichen Kontext.
Der Ursprung Ottweilers liegt in der Gründung des Klosters im heutigen Ortsteil Neumünster um 871. Erste schriftliche Nachweise des Ortsnamens Ottweiler stammen aus dem Jahr 1393.
Seine Blütezeit erlebte Ottweiler ab dem 13. Jahrhundert unter der Herrschaft der Grafen von Nassau-Saarbrücken. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Verleihung der Stadtrechte durch Kaiser Karl V. an den Grafen Johann von Nassau-Saarbrücken im Jahre 1550. Die Stadt Ottweiler war zudem im Laufe ihrer Geschichte mehrfach vorübergehend Residenz. 1544 nahm eine Nebenlinie des Hauses Nassau-Saarbrücken hier ihren Sitz. So wurde z. B. unter dem Grafen Albrecht im 17. Jahrhundert ein großes Renaissance-Schloss erbaut.
Im 18. Jahrhundert gehörte Ottweiler wieder zu Nassau-Saarbrücken, und der in Saarbrücken residierende Wilhelm Heinrich musste das bestehende Schloss wegen Baufälligkeit abbrechen.
Da Ottweiler aber weiterhin ein beliebter Aufenthaltsort des Fürsten blieb, musste ein neuer, angemessener fürstlicher Wohnsitz geschaffen werden. Darüber hinaus plante Wilhelm Heinrich in Ottweiler eine Porzellanmanufaktur einzurichten, die 1763 ihren Betrieb aufnahm. Ottweiler erhielt zwar nicht die Funktion einer Residenz, musste aber für den Fürsten, wenn er seine Porzellanmanufaktur besuchte, ein geeignetes Quartier zur Verfügung stehen.
So beauftragte Wilhelm Heinrich seinen Baumeister Stengel, in Ottweiler ein fürstliches Stadthaus zu errichten.
Mehrere bedeutende sakrale und profane Bauwerke konnte Stengel für den Saarbrücker Fürsten errichten. Der Bau in Ottweiler nimmt dabei eine Ausnahmestellung ein. Um die Mitte der 1750er Jahre muss er mit der Planung für das Stadtpalais in Ottweiler begonnen haben.
Der später von Karl Lohmeyer eingeführte Begriff „Witwenpalais“ ist irreführend und falsch. Lohmeyer entnahm der Häuser- und Familienchronik von Hansen, dass zeitweilig nach dem Tode von Wilhelm Heinrich seine Witwe Sophia Charlotte Erdmuthe hier wohnte. Daraus folgerte Lohmeyer, dass der Bau als Witwensitz erbaut worden sei. Jedoch hielt sich die Witwe nur kurz in Ottweiler auf, ihr eigentlicher Witwensitz war das Schloss in Lorenzen im Krummen Elsass.
Den Bau in Ottweiler errichtete Wilhelm Heinrich für sich selbst als städtisches Wohnhaus für seine Besuche in der Stadt. Das Baudatum wurde wegen eines Geländeankaufs durch den Fürsten im Jahre 1759 bisher stets auf 1759 – 1760 angesetzt. Bei dem Grundstück, das 1759 angekauft wurde, handelt es sich aber lediglich um ein rückwärtiges Gartengrundstück.
Die jüngsten Untersuchungen haben gezeigt, dass der Baubeginn sicherlich früher anzusetzen ist. Holzproben, die bei der Bauuntersuchung des Staatlichen Konservatoramtes vom Verfasser entnommen wurden, konnten im Rheinischen Landesmuseum Trier dendrochronologisch bestimmt werden. Die Proben stammen aus dem Dachstuhl. Es handelt sich um Eichenhölzer, die an dieser Stelle primär verwendet wurden. Sie sind also für dieses Gebäude gefällt und frisch verarbeitet worden.
Das Fällungsdatum ließ sich mit Frühjahr 1757 sehr exakt bestimmen. Da mit der Vorbereitung des Holzes für den Dachstuhl zumindest die Planung des Bauwerks vorgelegen haben muss, ist der Planungsbeginn vor dem Frühjahr 1757 anzusetzen. Wahrscheinlich ist, dass zum Zeitpunkt der Dachstuhlvorbereitung bereits der Rohbau im Gange war. Dies würde den damaligen Gepflogenheiten entsprechen. Damit könnte man einen Baubeginn auch spätestens mit Frühjahr 1757 annehmen. Nach Aufsetzen des Daches 1757 dürfte der Innenausbau fortgeführt worden sein, der möglicherweise 1758 abgeschlossen war.
Im späteren 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wechselte das Anwesen öfter den Besitzer. Verschiedene kleinere Veränderungen in dieser Zeit sind zu vermuten.
Tiefgreifende Umbauten erfuhr der Bau 1889. Kurz zuvor war er in den Besitz der Kreisverwaltung gekommen, die sich entschloss, hier ihr Kreishaus einzurichten. Dazu wurde 1889 ein großer Saal im ersten Obergeschoss eingebaut. Dabei dürften auch weitere größere Um- und Ausbauten vorgenommen worden sein.
Bei genauer Untersuchung des Mauerwerks und der sichtbaren Gesimssteine lässt sich zweifelsfrei erkennen, dass der rückwärtige Vorsprung kein originaler Bauteil ist. Es ist eine eindeutige Baufuge zu erkennen, und die Steinbearbeitung differiert von der an den originalen Steinen.
Bei der Klärung dieses Sachverhalts konnte auch wiederum die Untersuchung des Dachstuhls weiterhelfen. Der Anbau besitzt ein eigenes abgewalmtes Dach. Das Gebälk des Hauptdaches, das aus Eichenholz besteht, ist an dieser Stelle zertrennt worden, und die Erweiterung dieses Teils des Daches ist in Tannenholz eingefügt worden.
Eine dendrochronologische Bestimmung des Tannenholzes fiel nicht ganz eindeutig aus, da keine Waldkante (Kambiumzone) gefunden wurde. Dennoch lässt sich die Herstellung dieses Dachstuhls des Anbaus relativ genau nachvollziehen. Ein Fällungsdatum des Holzes „kurz nach 1887“ passt exakt zu den Daten des belegten Umbaus von 1889. Damit darf sicher davon ausgegangen werden, dass der rückwärtige Anbau erst in diesem Jahr errichtet wurde.
Ein weiteres Problem, das bisher zu verschiedenen Spekulationen geführt hatte, ist die Unklarheit über die ursprüngliche Lage des Eingangs. Heute besitzt der Bau kein eigenes Portal mehr, der Zugang erfolgt über die jüngeren Nebengebäude.
Alle Öffnungen des Erdgeschosses sind Fenster in gleicher Gestaltung mit profilierter Rahmung und reich verzierten Schlusssteinen. Die äußerste linke Fensterachse weicht von den übrigen etwas ab, da dieses Fenster etwas breiter ist. Da hier im Laufe der Geschichte des Bauwerks auch einmal vorübergehend der Eingang lag, hat dieser Umstand zu der Spekulation geführt, dass in dieser Achse auch das originale Portal gelegen habe und durch die sich dadurch ergebende Asymmetrie des Baues zu folgern wäre, dass das Witwenpalais nur Teil bzw. Nebenflügel einer geplanten größeren Schlossanlage gewesen war.
Diese Hypothese ist jedoch eindeutig abzulehnen. Eine genaue Untersuchung des Baus bringt erneut etwas Aufklärung. Zum einen ist feststellbar, dass das Fenster in der linken Achse erst nachträglich verbreitert wurde, da dort schmale Einschübe in die profilierte Sandsteinrahmung eingepasst wurden. Dies scheint eine Veränderung des 19. Jahrhunderts zu sein. Als der Zugang zu diesem Zeitpunkt hierher verlegt wurde, verbreiterte man das ursprüngliche Fenster, um einen bequemeren, breiteren Eingang zu erhalten.
Auch die Befunde im Keller sprechen eindeutig für ein ursprüngliches Portal in der Mittelachse. Der Bau besitzt einen durchgehenden Kellerraum zur Straße. Er ist mit einem quergestellten Tonnengewölbe bedeckt. Die Tonne besitzt originale Stichkappen, über die die Kellerfenster einschneiden. Nur in der Mittelachse ist das Tonnengewölbe geschlossen.
Dies ist ein eindeutiges Indiz, dass an keiner anderen Stelle als hier das ursprüngliche Portal gelegen haben kann. Zudem ist im Erdgeschoss hier ein schmaler einachsiger Raum gelegen, der mit den heute noch vorhandenen Pilastern als Korridor zu dem ursprünglich dahinterliegenden originalen Treppenhaus diente.
Die Restaurierung
Im Jahre 1889 erwarb der Kreis Ottweiler das sog. Köhlsche Haus, um es als Landratsamt zu nutzen. Zusammen mit dem Kauf wurde der Ankauf eines Grundstückes im Seminarweg zum Bau eines Wohnhauses für den Landrat beschlossen.
Hinzukommende Aufgaben und Personalbedarf ließen die Verwaltung in dem folgenden Jahrhundert stetig wachsen. Um- und Erweiterungsbauten wurden notwendig, nicht selten mit nur wenig Rücksicht auf die kunsthistorische Bedeutung des Baues durchgeführt. Dennoch blieb das Witwenpalais der bedeutendste Bau, der in Ottweiler nach Plänen von Friedrich Joachim Stengel errichtet wurde und ist somit Denkmal für den berühmten Barockarchitekten.
Schon im Jahre 1908 wurde vom Kreisausschuss die Erweiterung des Kreisverwaltungsgebäudes projektiert. Im Geschäftsbericht des Kreisbaumeisters heißt es: „… ferner erforderte nicht unerheblichen Zeitaufwand die Ausarbeitung eines generellen Projekts zur Erweiterung der Kreisverwaltungsgebäude und die vorherige Untersuchung aller in Frage kommenden Bauteile.“ Bereits 1909 begann der Um- und Erweiterungsbau, der laut Geschäftsbericht erhebliche Arbeiten erforderte und die vorübergehende Ausquartierung der Kreisverwaltung mit sich brachte. Als Interimsverwaltungen dienten die kreiseigenen Gebäude in der Bismarckstraße und der Viktoriastraße. Am 13. Mai 1911 fand die feierliche Einweihung des Kreishauserweiterungsbaues statt.
Nach diesem sehr individuell gestalteten Umbau wurde bis 1929 keine größere Baumaßnahme mehr durchgeführt. Der Erste Weltkrieg mit seinen Folgen für Kreis und Bevölkerung setzte andere Prioritäten. Erst im Jahre 1929 lesen wir wieder im Verwaltungsbericht, dass ein Umbau projektiert wurde. Dass überhaupt eine Erweiterung nötig oder gar möglich war, hing mit der geplanten Verlagerung der Kreissparkasse zusammen.
Nach der Fertigstellung des Kreishauserweiterungsbaus bezog die Kreissparkasse am 5. Juni 1931 ihre neuen Diensträume, wo sie bis 1990 blieb. Sofort nach dem Umzug der Sparkasse begann ein nur vier Monate dauernder Umbau des Kreishausflügels links vom Witwenpalais. Der von Kreisbaumeister Eberbach in den Jahren 1909 bis 1911 „zugedeckte“ Stengel-Bau trat dabei wieder hervor.
Im Jahre 1989 entschloss sich der Landkreis Neunkirchen, das Dienstgebäude I des Landratsamtes zu renovieren. Wer die Räumlichkeiten zu diesem Zeitpunkt kannte, weiß, dass dieses Vorhaben kein Luxus war. Die Schwierigkeit dieser Renovierungsarbeiten bestand darin, dass das Verwaltungsgebäude in drei Bauabschnitten und dabei weiterlaufendem Dienstbetrieb renoviert werden musste. Aus diesem Grunde wurde das Gebäude in folgende Renovierungsabschnitte aufgeteilt:
1. Bauabschnitt: linker Flügel des Gebäudes, 2. Bauabschnitt: rechter Flügel (ehemalige Kreissparkasse), 3. Bauabschnitt: Mittelrisalit, das Witwenpalais des Barockbaumeisters Friedrich Joachim Stengel.
Die Renovierung des ersten Bauabschnitts verlief reibungslos, bis im Februar 1991 ein Brand das komplette Dachgeschoss des linken Flügels zerstörte. Dieser Brand führte zur ersten Verzögerung der Ausführungszeit. Die zweite und dritte Verzögerung beruhte auf der schlechten Statik der Decken im zweiten und dritten Bauabschnitt.
Die Renovierung des Landratsamtes erfolgte von Grund auf, d. h. das Gebäude wurde entkernt, sodass nur noch die Außenmauern standen. Es wurde eine komplett neue Haustechnik (Heizung, Sanitär, Lüftung) und Elektrotechnik (Stromversorgung, EDV-Vernetzung, Telefonnetz) installiert.
Im baulichen Bereich wurden Decken, Böden, Fenster, Türen, Wände, Einbauschränke, Anstrich, Fliesen, Nasszellen, Dacheindeckung, Außenanstrich sowie Hof- und Außenanlage erneuert.
Die Innenarchitektur der Büro- und Sitzungsräume wurde sensibel an die Stengel-Architektur angepasst. Es sollte keine Konkurrenz zu dem großen Baumeister entstehen, sondern der Erfolg der Renovierung sollte in einem Unterordnen, Anpassen und dadurch einem Gleichklang der architektonischen Harmonie bestehen.
Das helle Stengel’sche Farbkonzept wird durch das gesamte Gebäude mitgetragen und spiegelt sich in den Einrichtungsgegenständen ebenso wie in der Außenfassade wider.
Die Fassade
Die Fassade des Witwenpalais in Ottweiler ist von auffälligem Reichtum. Es handelt sich um eine dreigeschossige fünfachsige Fassade.
Das Erdgeschoss ist ungegliedert, lediglich vertiefte rechteckige Wandfelder rahmen hier die Fenster. Damit ist das Erdgeschoss als Sockelgeschoss ausgewiesen.
Darüber erhebt sich das Hauptgeschoss, die Beletage, gefolgt von einem niedrigen Halbgeschoss, dem Mezzanin.
Die beiden oberen Stockwerke sind durch eine ionische kolossale Pilastergliederung verklammert. Ein strenges kanonisches Gebälk bildet den oberen horizontalen Abschluss. Flammenvasen bekrönen als Attikaschmuck den Bau.
Alle Fenster besitzen profilierte Rahmungen und reich strukturierte Schlusssteine und schließen stichbogig ab.
Die kolossale Pilastergliederung zeichnet den Bau aus. Allein dadurch kann die Hypothese von einem großen Schlosskomplex widerlegt werden. Stengel hat niemals einen Nebenflügel mit einer Pilastergliederung gestaltet. Selbst an seinen großen Schlossbauten in Saarbrücken und Dornburg, die fürstliche Residenzen waren, wurde allein der Mittelbau, das Corps de Logis, mit Pilastern gegliedert. Die Nebenflügel besitzen stets nur Ecklisenen. Die besondere Gestaltung des Baus in Ottweiler verfolgte den Zweck, kenntlich zu machen, dass dies ein fürstliches Stadtpalais ist.
Die Vorbilder für den Bau in Ottweiler sind eindeutig zu bestimmen. Französische Stadtpalais, wie sie in Nancy entstanden waren oder bei Boffrand im „Livre d’Architecture“ abgebildet sind, zeigen die Gestaltung vorgebildet. Die Gliederung mit Sockelgeschoss und Kolossalordnung, die Haupt- und Mezzaningeschoss verklammert, dürfte Stengel direkt aus den französischen Vorbildern entnommen haben.
Letztlich gehen diese klassizisierenden architektonischen Gestaltungsideen aber auf Werke der italienischen Hochrenaissance zurück. Stadtpalazzi von Andrea Palladio sind die wohl bekanntesten Bauten, die solche Gestaltungen erstmals zeigen.
Das Witwenpalais in Ottweiler ist das einzige fürstliche Stadtpalais, das Friedrich Joachim Stengel erbaut hat. Mit seiner sehr strengen klassizisierenden Gliederung gehört es zu den Werken Stengels, die sich am stärksten an französische Vorbilder anlehnen.